Jet Lag All Stars Radio Show, ORF Radio Ö1, 01.11.2024., 22:05-24:00
Die „Jet Lag All Stars Radio Show“ ist zu einer weiteren Expedition ins Land der Coverologie aufgebrochen. Wieder geht es um das Porträt von Künstlerinnen und Künstler auf LP-Covern. (Teil 1: Die Kraft des Kragens — Von der elementaren Schönheit des Rollkragenpullis, ORF Radio ö1. 26.10.2024) Diesmal um Scham und Beschämung: Wie viel Haut und Haar darf und soll gezeigt werden? Welche Bedeutung hat der Auftritt mit bloßen Füßen oder mit entblößtem Oberkörper? Welche kolonialen, machistisch-paternalistischen Stereotype werden bedient, und wie gelingt eine humoristische, künstlerische, emanzipatorische Neufassung des Artist-Porträts?
Die musikalische Reise entwickelt sich entlang der Artist-Porträts auf LPs und beginnt bei den im kolonialen Blick geprägten Porträts der 1950er Jahre. Seit den 1960er Jahren gibt es Versuche, für das Porträt eine emanzipatorische Bildsprache zu finden. Ein Beispiel ist Yoko Onos und John Lennons Albumcover zu „Unfinished Music No. 1, Two Virgins“. In den 1970er Jahren wuchs das Brusthaar auf manchen LP-Covern über das Format hinaus. Nach dieser Befreiung nimmt Grace Jones die Herausforderung an, steigt in den Boxring und schlägt in grandioser Weise in Form gebracht zurück.
Begleitet und kommentiert wird das alles von Elisabeth von Samsonov, bildende Künstlerin und Professorin an der Akademie der bildenden Künste und dem Dermatologen Christian Posch, Vorstand der Dermatologischen Abteilung der Kliniken Hietzing und Ottakring. Das Haar, so von Samsonov, sei „die Erektion des Körpers“, seine Ausdehnung in eine Welt, „in die es eigentlich nicht soll, nämlich die Welt des wilden, vor-humanen“. Das sei eine prachtvolle Spielwiese für die Kunst.
Zu hören sind ausschließlich Musikstücke von LPs mit sehr viel Haut und oft auch Haar am Cover. Zu lernen ist, dass es nicht leicht ist, unbekleidet oder gar nackt zu posieren. Und wie bei den Porträts von uns Normalsterblichen, erzählen Artist-Porträts von der allzu menschlichen Sehnsucht, ankommen zu wollen. Zuerst in der sozialen Rolle. Ist es die Rolle der Kunst, herauszufordern, zu provozieren, zu überfliegen, zu überbieten, sich abzuheben, dann geht es im Porträt aber auch immer um Nähe, um Intimität, um Authentizität und Wahrhaftigkeit, und letztlich um eine Verbindung zum Publikum. Allzu zugeknöpft dürfen Musikerinnen und Musiker nicht porträtiert werden. Ganz nackt kommt aber auch nicht oft vor.